Hintergrund: Auf dem Fundraising-Camp hatten Karsten Wenzlaff (ikosom) und David Röthler eine Session gehalten zu Mikro-Finanzierung.
Mikro-Finanzierung (bzw. Micro-Financing) ist ein wichtiges Thema in der Finanzierung von journalistischen oder redaktionellen Inhalten von Blogs oder anderen Online-Medien. Die Leser können kleinere Geldbeträge (also ab 0,01€) spenden, die dann akkumuliert den Anbietern von redaktionellem Inhalt überwiesen werden. So verringern sich einerseits die Transaktionskosten, andererseits wird die Hürde für die Leser geringer, für redaktionelle Inhalte im Netz zu bezahlen.
Karsten Wenzlaff hat die Frage auf dem Fundraising-Camp aufgeworfen, ob so ein Bezahlmodell für die Fundraising-Community interessant ist, da viele Nicht-Regierungs-Organisationen, Stiftungen und Wohltätigkeitsprojekte gute Inhalte ins Netz stellen, diese aber erst über Umwege mit dem Spenden-Formular verlinkt sind.
Die von David Roethler vorgestellte Plattform www.kachingle.com macht das ganze etwas einfacher: die Anbieter von Webseiten stellen einen kleinen Button auf ihre Seite und die Leser können mit einem Klick einen minimalen Betrag spenden.
Vorher müssen sich sich allerdings bei Kachingle angemeldet haben und dort ein Guthaben von mindestens 5 US-Dollar anzulegen. Das Guthaben kann dann entweder einmalig oder pro Besuch einer Seite verteilt werden.
Kachingle ist Teil der Crowd-Funding-Bewegung im Netz, die dahin tendiert, wichtige Güter per Finanzierung durch die Masse bereitzustellen – andere Beispiele sind zum Beispiel der Spendenaufruf für die Wikipedia-Stiftung oder journalistische Dienste wie spot.us.
Gleichzeitig wendet Kachingle aber auch das Prinzip der Kultur der verantwortlichen Vergütung an – es geht nicht mehr darum, ein Projekt zu unterstützen oder einen Inhalt zu verkaufen, sondern man übergibt mit der Kleinspende einen Teil sozialer Reputation an einen Inhalteanbieter: „Den finde ich gut, den will ich unterstützen.“
Bei Kachingle wird dieser Mechanismus unterstützt, indem angezeigt wird, wer eine bestimmte Seite unterstützt hat. Ein Beispiel dafür ist die Webseite www.carta.info, bei der Kachingle eingebaut ist und man direkt sehen kann, wer die Seite noch unterstützt.
In der Diskussion auf dem Camp wurden die Anwendbarkeit von Tools wie Kachingle rege diskutiert. Als positiv wurde gesehen, dass Micro-Fundraising Tools auch ermöglichen würden, Fotos, Videos oder Aktionen finanziell zu unterstützen. Kachingle stellt damit so etwas dar wie eine virtuelle Kaffeebox – „Ich gebe Dir mal einen Kaffee aus!“
Kritisch wurde angemerkt, dass sobald das Modell Erfolg hat, die Gefahr besteht, dass Google mit seiner Marktmacht versuchen würde, das Modell zu kopieren. Kritisch wurde auch gesehen, dass die Verwaltungsgebühr von 10-15% relativ hoch sind im europäischen Spendenbereich.
Diskutiert wurde auch, ob gerade bei Spenden im Fundraising-Bereich die steuerliche Abzugsfähigkeit eine wichtige Rolle spielt. Hier wurde angeführt, dass jemand der viel Geld bei Kachingle verteilt auch am Ende des Jahres eine Abrechnung möchte – allerdings, so der Einwand, ist Kachingle ein mitgliederbasiertes Modell und die Spendenabzugsfähigkeit steht wahrscheinlich eher im Hintergrund.
Gefragt wurde auch, warum nicht Skype oder Paypal ein ähnliches System im Micro-Financing-Bereich anbieten.
Fazit: im Augenblick fehlt Kachingle die Masse an Nutzern auf der einen Seite und die Masse der Anbieter auf der anderen Seite – an sich ist Mikro-Finanzierung aber auch im Fundraising-Bereich interessant und wird sicherlich 2010 eines der spannendsten Themen bleiben.
Ich habe den interessanetn Diskussionsverlauf teilweise verfolgt und finde die gedankliche Ausgangsbasis auf jeden Fall Wert, weiter verfolgt zu werden. Aus Expertensicht möchte ich zu bedenken geben:
In Deutschland sind Spenden undbedingt von (materiellen) Gegenleistungen abzukoppeln, sonst werden sie nicht als Spende betrachtet (Finanzamt). Das ist bei Mikrospenden für den Spender vielleicht nicht so relevant. Für die gemeinnützige (steuerbegünstigte) Organisation bedeutet jedoch das Anbieten redaktioneller Inhalte gegen Geld wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, dessen Erlöse in der Regel mit Umsatzsteuer versteuert werden müssen, falls nicht als Teil des ideelen Aufgabenspektrums anerkannt. Ist dem so, sind die Einnahmen daraus also keine Spenden! Achtung: Falle!
Worüber Ihr hier nachdenkt, ist die Frage intelligenter, unaufwändiger und niederschwelliger Erwirtschaftung von Erlösen – da muss man als gemeinnützige Organisation die Rahmenbedingungen unbedingt mit dem zuständigen Finanzamt klären, um nicht die Gemmeinnützigkeit zu gefährden (Freiraum und Grenzen der satzungsgemäßen, ideellen Aufgaben, Gefährdung der Steuerbegünstigung, Entzug der Genehmigung zur Ausstellung von Zuwendungsbescheinigungen, Zwangsversteuerung der Erlöse wegen gewerblicher Tätigkeit … das Finanzamt ist findig und sehr auf die Erhöhung der Einnahmen bedacht. Gemeinnützige Organisationen oder karitative Initiativen werden, da steuerbefreit, von denen stets scharf beäugt…).
Hier ist proaktives Handeln in Richtung Finanzamt gefragt, weil man dort mit den zuständigen Beamten persönlich verhandeln kann/sollte…
Liebe Susannne,
vielen Dank für den Hinweis auf die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Die Gefahr der Nicht-Anerkennung als Spende aus Sicht der Organisation kann ich nachvollziehen, wenn das System als ein soziales Geld-Verteilungsnetzwerk auftritt. Als solches ist es für Journalisten und Blogger sicherlich attraktiv und dies ist auch der ursprüngliche Ansatz von Kachingle.
Die Idee finde ich spannend genug um zu diskutieren, wie man dieses auf die Bedürfnisse von NGOs adaptieren könnte. Ob es ausreicht, wenn eine juristische Person (Kachingle) zwischen Spender und NGO steht und die online „vergüteten“ Inhalte als Spende weiterreicht, wäre denkbar. In dem Moment treten selbstverständlich erhöhte Transparenzanforderungen an die vermittelnde Organisation auf!
Unsicher bin ich mir derzeit, wie sich der Ansatz von Kachingle in Deutschland abseits von Blogs und dem journalistischen Bereich anpassen ließe. Spannend wird das allemal.