Mit dem Jahreswechsel begann in vielen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) die redaktionelle Arbeit an den Jahresberichten. Dieser dient als Instrument zur Kommunikation vor allem mit Spendern, Sponsoren, Mitgliedern und gegebenenfalls weiteren Interessensgruppen. Typischerweise enthält der Jahresbericht vor allem nicht-finanzielle Dokumentation von Aktivitäten und Projekten sowie Angaben zu den Strukturen und Finanzen des abgelaufenen Kalenderjahres. So geschieht es seit Jahrzehnten stets aufs Neue.
Die von NGOs hat sich in den vergangenen Jahre zunehmend in Richtung von Geschäftsberichten entwickelt, wie sie Unternehmen und insbesondere Aktiengesellschaften veröffentlichen. Letztere sind aufgrund ihrer besonderen Informationspflichten gegenüber den Aktionären dazu verpflichtet. Im Unterschied zu Kapitalgesellschaften ist die inhaltliche und finanzielle Berichterstattung von NGOs nicht gesetzlich geregelt. In der Organisationsform eines eingetragenen Vereins ist in der Satzung oft lediglich die Berichtspflicht des Vorstandes an die Mitgliederversammlung festgeschrieben. Dennoch gibt es neben den Mitgliedern weitere Interessensgruppen mit spezifischen Informationsbedürfnissen: „Spender möchten die von ihnen bereitgestellten Ressourcen gut angelegt, Sponsoren über die Wirkung und öffentliche Wahrnehmung der unterstützten Projekte Bescheid wissen und andere Partner wünschen sich eine Informationsgrundlage für die Entscheidung über die Fortsetzung oder Aufnahme einer Kooperation“, so Felix Dresewski, Geschäftsführer der Kinderhilfsorganisation Children for a better World e.V..
Was leistet der Transparenzpreis?
Einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Jahresberichte hat die Einführung des Transparenzpreises durch die Prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers im Jahr 2004 geleistet. Der Wert des Preises liegt in den veröffentlichen Kriterien zur Bewertung von Jahresberichten und Vorschläge für eine Erfolgsrechnung spendensammelnder Organisationen. Diese ermöglichen auch ohne Teilnahme an der Preisausschreibung einen Einblick in die Kriterien und Bewertungsindikatoren. Ein Vergleich der in den vergangenen Jahre veröffentlichten Berichte zeigt, dass Informationen über interne Kontrollstrukturen und Angaben zur Vergütungsstruktur von Vorständen, die als Kriterium für den Transparenzpreis herangezogen werden, überwiegend erst in den vergangenen Jahren eingeführt wurden.
Ein Ergebnis des Transparenzpreises ist, dass die Unterschiede in der Berichterstattung der teilnehmenden NGOs über die vergangenen fünf Jahre deutlich geringer geworden sind und sich auf einem hohen Niveau eingependelt haben. Nahezu ein Drittel (18 von 66) der teilnehmenden Organisationen erreichte eine Bewertung über 90%. Dies hat zu der Überlegung geführt die Struktur des Preises den neuen Begebenheiten anzupassen. Angesichts der Dominanz großer Organisationen unter den Bewerbern liegt der Gedanke nahe, die Struktur des Preises zu überdenken, sollte der Preis dem Anspruch gerecht werden wollen, die Vielfalt des dritten Sektors wiederzuspiegeln.
Chancen des Medienwandel
Eine weitere Herausforderung für die Jahresberichte der NGOs bestehen darin, dass die einmalige und nachträgliche Bereitstellung von gedruckten Informationen über ein bereits vergangenes Jahr nicht mehr den Ansprüchen aller Interessensgruppen genügt. Der Medienwandel und die damit einhergenden Veränderungen im Nutzungsverhalten erfordern neue Maßnahmen der Informationsbereitstellung. Im Internet ist es üblich, dass Informationen sehr zeitnah zur Verfügung gestellt werden und Nutzer diese bearbeiten können, beispielsweise indem sie Kommentare hinterlassen, Nachfragen stellen, Bewertungen vornehmen oder eigene Beiträge ergänzen. Heutzutage ist es die Regel, dass ein gedruckter Jahresbericht bestellt und selbiger als PDF heruntergeladen werden kann. Den genannten Ansprüchen der Interessensgruppen entspricht dieser Stand der Umsetzung von Jahresberichten nicht, bestätigt Patrick Schultheis, Pressesprecher der Johanniter-Unfall-Hilfe. „Wir können immer nur beispielhaft über eine Auswahl unserer Aktivitäten berichten. Dabei würden sich am liebsten alle unsere Landesverbände und Gliederungen gleichermaßen wiederfinden. Das würde den Rahmen eines gedruckten Jahresberichts sprengen“, so Schultheis weiter.
Damit die Organisationen zukünftig nicht mehr hinter den Bedürfnissen ihrer Interessensgruppen zurück bleiben, ist es notwendig neue Wege der Berichterstattung zu denken. Ähnlich dem Blog-Prinzip kann eine inhaltliche Berichterstattung zeitnah erfolgen und zudem mit dem Jahresplan, der Zielerreichungs- und Risikokontrolle verknüpft werden. Veränderungen werden in dem Moment kommuniziert, wenn sie stattfinden und nicht erst im Folgejahr, wie es bislang der Fall war. Die digitale Unterstützung ermöglicht darüber hinaus, dass die Besucher ihren Präferenzen entsprechend unterschiedliche Filter ansetzen. Ein neues Erlebnis bietet die Einbindung von Audio- und Videodateien, wenn eine Projektleiterin über die Erfolge und Risiken im Projekt berichtet oder der Schatzmeister Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz anschaulich erläutert. Die finanzielle Berichterstattung muss sich nicht den Quartalsberichten von Aktiengesellschaften annähern, kann jedoch zum Beispiel projekt- oder gliederungsbezogen ausgewiesen werden. Weitergehende Informationen werden auch in mehrjährigen Zusammenhängen mit Projektbeschreibungen und -evaluationen zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise ist es jeder interessierten Person möglich genau jene Berichte und Dokumente zu lesen, die sie interessiert.
Es genügt ein Blick auf die Alterstruktur der Spender in Deutschland um sich die Gewissheit zu verschaffen, dass die neue Form der Berichterstattung im Internet das haptische Element eines gedruckten Jahresberichts zumindest in den nächsten fünf Jahren noch nicht ersetzen wird. Eine Brücke zu schlagen zwischen den zunehmenden Transparenz-Ansprüchen der Interessensgruppen und der organisatorischen Machbarkeit bei begrenzten Ressourcen ist die Herausforderung, der NGOs gegenüberstehen, wenn sie Transparenz und Offenheit konsequent weiterdenken.
Der Beitrag ist erschienen im Fundraiser-Magazin – Das Branchenmagazin für Spendenmarketing, Stiftungen und Sponsoring (Ausgabe 2/2010).
Hallo Jörg, vielen Dank für den gelungen Blogeintrag.
Im Rahmen einer Vorlesung haben Kommilitonen und ich einen Vortrag zum Thema Nonprofit-Governance gehalten und sind auf viele Kritikpunkte gestoßen. Besonders die unterschiedlichen, teilweise nichtssagenden, Inhalte in Geschäftsberichten oder Jahresberichten sind uns aufgefallen. Im europäischen Vergleich ist uns die Schweiz da mal wieder um weiten voraus.
Die Idee: „Ähnlich dem Blog-Prinzip kann eine inhaltliche Berichterstattung zeitnah erfolgen und zudem mit dem Jahresplan, der Zielerreichungs- und Risikokontrolle verknüpft werden.“ find ich persönlich klasse. Jedoch denke ich, dass sich das schwer umsetzen lässt – Mangel an Ressourcen. Zudem sehe ich das Problem, dass viele Organisationen sich Diskussionen im Internet nicht aussetzen wollen bzw. können, oder?
Hallo Jörg,
Interessantes Thema in das sicher bisher in vielen NGOs immer schon viele Resourcen und Manpower geflossen sind, ohne dass eine weitreichende Wirkung oder ein großer Mehrwert entstand.
Dazu fällt mir ganz spontan der Jahresbericht vom International Institute for Communication and Development in Den Haag ein: http://annualreport.iicd.org/ Die setzen einen Großteil der von dir genannten Punkte schon musterhaft um: Einbinden von Videos, Bildern, interaktive Grafiken, Kartenmaterial, flexible, thematische Zugangspunkte, Verlinkung auf aktuelle Projekte…nur das web2.0-ige Kommentieren und user-generated Content erlauben fehlt noch. Von daher ist es doch noch ein relativ einseitiges Informationen-Präsentieren. Aber immerhin mit Facebook-Verlinkung.
@Dani: ich denke auch, dass die Angst vor dem Sich-Dem-Internetnutzer-Öffnen da eine Rolle spielt. Dann müsste man sich ja öffentlich erklären oder sogar rechtfertigen. Was aber für eine ordentlich geführte, transparente NGO jedoch kein Problem sein dürfte.