Vertrauen in das Engagement und die Partizipationsbereitschaft von Jugendlichen besaß das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) und erprobte das BarCamp als potentielles Format für seine zukünftige interkulturelle Jugendarbeit.
Das Pilotprojekt fand vom 26. – 28. 11. 2011 im Umspannwerk in Berlin statt und versammelte 120 Teilnehmer aus Frankreich und Deutschland zum Thema „Glück und Wohlstand – was ist das?“. Auch mit der Themenwahl begab sich das DFJW damit auf Neuland. Im Gegensatz zu den üblicherweise internet- und technikbezogenen BarCamps, setzte das DFJW bewusst auf ein eher philosophisches Rahmenthema.
BarCamps (auch „Unkonferenzen“ genannt) sind ein Veranstaltungsformat, welches sich von klassischen Konferenzen abhebt. Ihre Besonderheit liegt darin, dass von den Veranstaltern zwar ein grober thematischer Rahmen vorgegeben wird, die konkrete inhaltliche Ausgestaltung jedoch den Teilnehmern obliegt: keine festgelegten Referenten, keine vordefinierten Panels, keine langatmigen Vorträge. Ein BarCamp beginnt daher immer mit einer öffentlichen Sessionplanung, bei der jeder Einzelne dazu ermuntert wird, Themen, Workshops oder Diskussionen vorzuschlagen. Zum Referent kann also jeder werden, der mutig den Arm hebt. Stößt ein Sessionvorschlag auf allgemeines Interesse, werden der Raum und die Uhrzeit festgelegt. Dialog und Interaktivität sind charakteristische Bestandteile von BarCamps.
Selbstverantwortung der Jugendlichen
Bereits zur Mobilisierung von Teilnehmern wurde dort geworben, wo sich Jugendliche im Alltag aufhalten: auf Facebook. Unter dem Hashtag #bcdfjw kommunizierten das DFJW und die Teilnehmer bereits vor dem JugendBarCamp via Twitter miteinander. Die Gespräche und der interkulturelle Dialog standen auch im Fokus der Veranstaltungsmoderation. Zugleich sollten die Jugendlichen an ihre Selbstverantwortung für die inhaltliche Ausgestaltung des JugendBarCamps herangeführt werden.
Im Falle des 1. deutsch-französischen JugendBarCamps entschied sich das DFJW für die Verbindung von klassischen Konferenzanteilen und dem offenen BarCamp-Format. So wurde der Abend des Anreisetages dazu genutzt die Jugendlichen sowohl auf das Diskussionsformat als auch auf das philosophische Thema einzustimmen. Hierzu konnten der deutsche Glücksforscher Prof. Dr. Wilhelm Schmid („Glück: Alles, was Sie darüber wissen müssen und warum es nicht das wichtigste im Leben ist“) und der französische Schriftsteller Patrick Dugois („Enfant frigo“) für Impulsvorträge und eine Diskussionsrunde gewonnen werden.
Die folgenden zwei Tage gestalteten die Jugendliche im BarCamp-Format vollkommen selbst. In über zwanzig Sessions beleuchteten sie das Begriffspaar Glück und Wohlstand unter den unterschiedlichsten Fragestellung und teils unerwarteten Blickwinkeln. Ganz selbstverständlich und ohne Berührungsängste wurde dabei das Prinzip der Selbstorganisation angenommen und der Sessionplan mit Leben gefüllt. Bei einem Gang durch die Räume des Berliner Umspannwerks traf man allerorts auf Gesprächskreise der Teilnehmer – vielstimmig und zweisprachig in Diskussionen vertieft.
Existiert eine Anleitung zum Glück?
Besonders positiv wurde von den Teilnehmern die Diskussionsatmosphäre und die Möglichkeit zum intensiven Austausch bewertet. Neben grundsätzlichen Fragen, etwa ob Menschen glücklich sein können oder ob eine Anleitung zum Glück existiert, wurde auch hinterfragt, welche biochemische Prozesse dem Gefühl des Glücklichseins zugrunde liegen. Andere Sessions thematisierten das kollektive Glück und Unglück ganzer Bevölkerungsgruppen und diskutierten die daraus resultierende Verantwortung und Solidarität.
Auf großes Interesse stieß auch die Möglichkeit sich während der Veranstaltung via Twitter auszutauschen. Im Zuge des JugendBarCamps legten sich viele Teilnehmer erstmals einen Account bei dem Microblogging-Dienst zu und nutzen diesen intensiv zur Dokumentation und Kommunikation. Für jede Session wurde ein Protokoll mit Etherpad erzeugt und live dokumentiert. Teilweise beteiligten sich mehr als fünfzehn Teilnehmer an der Dokumentation einzelner Sessions. Auf diese Weise konnten sie die differenzierten bis hitzigen Debatten über die individuellen und kollektiven Erfahrungen mit Glück und Unglück für sich und andere sichern.
Was sind die Potentiale des Formats BarCamp für die Jugendarbeit?
Wie das 1. deutsch-französische JugendBarCamp zeigte, eignet sich das Format zur Initiierung von Lern- und Austauschprozesse auf Augenhöhe. Damit bietet es sich besonders für die Anwendung im Kontext von Peer-to-Peer-Ansätzen an. Als Alternative zur einseitigen Wissensvermittlung klassischer Tagungen, könnte der wechselseitige Erfahrungs- und Wissenstransfer von Jugendlichen im BarCamp-Format größere Verbreitung finden.
Das Format stärkt die Eigenverantwortung der Teilnehmer durch das Prinzip der Selbstorganisation. Positive Effekte sind dabei auch eine höhere Identifikation mit den Ergebnissen und die starke Vernetzung der Teilnehmer untereinander. Nicht zuletzt werden BarCamps auch dem veränderten Mediennutzungsverhalten von jungen Menschen gerecht. Sie bedienen sich nicht nur gängiger digitaler Dienste, sondern stärken auch die Medienkompetenz der Teilnehmer durch den integrierten Einsatz verschiedenster sozialer Netzwerke und Plattformen.
Lisa Peyer ist Projektleiterin bei ikosom, dem Institut für Kommunikation in sozialen Medien und begleitete das Deutsch-Französische Jugendwerk bei der organisatorischen und methodischen Umsetzung des 1. deutsch-französischen JugendBarCamps. Dieser Artikel wurde im Rahmen des Projekts „Youthpart“, einem multilateralen Kooperationsprojekt der Fachstelle für Internationale Jugenarbeit der Bundesrepublik Deutschland, kurz IJAB, zuerst hier veröffentlicht.
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