Vom 14. bis 17. April 2012 fand in Paris das zweite deutsch-französische Jugendbarcamp statt. Angelehnt an Decartes wurde unter dem Motto „Ich wähle, also bin ich!“ über Jugend und Politik gesprochen. Die fast 100 Jugendlichen kamen auf Einladung des Deutsch-Französischen Jugendwerks zusammen.
ikosom hatte den Veranstalter im November letzten Jahres bei der organisatorischen und methodischen Vorbereitung des 1. deutsch-französischen Jugendbarcamps unterstützt. Bei der Folgeveranstaltung in Paris agierten wir nur noch als Coach für die jugendlichen Moderatoren.
Berichte einiger TeilnehmerInnen:
- Barcamp Tag 1
- Ein Barcamp – Was ist das genau?
- Barcamp Tag 2
- Barcampen in Pariser Bars.
- Barcamp Tag 3
- Nur noch 2 Tage
- Meinung bilden. In bewegten Bildern.
Wann ist ein Barcamp ein Barcamp?
Das 2. deutsch-französische Jugendbarcamp bietet einen guten Anlass um darüber nachzudenken, welche Erfordernisse es gibt, damit eine Veranstaltung als Barcamp klassifiziert werden kann. Werfen dazu einen Blick auf die Definition, wie sie gemeinschaftlich auf Wikipedia erarbeitet wurde:
Ein Barcamp (häufig auch: BarCamp, Unkonferenz, Ad-hoc-Nicht-Konferenz) ist eine offene Tagung mit offenen Workshops, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmern zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden. Barcamps dienen dem inhaltlichen Austausch und der Diskussion, können teilweise aber auch bereits am Ende der Veranstaltung konkrete Ergebnisse vorweisen.
Die Offenheit der Veranstaltung war über eine offene Ausschreibung gegeben, allerdings wurde nicht nur nach Eingang der Anmeldung entschieden, sondern auch eine gleichmäßige Anzahl deutscher und französischer Teilnehmer sichergestellt. Im Kontext der deutsch-französischen Jugendbildung ist das Vorgehen gerechtfertigt. Die Workshops/Sessions konnten bereits im Vorfeld vorbereitet und angekündigt werden – vorgestellt und über sie entschieden wurde im morgendlichen Plenum durch die Teilnehmer selbst. Vorgegeben war nur das Oberthema Jugend und Politik sowie die Zeiten und Räumlichkeiten. Über Art, Ablauf und Dokumentation der Sessions entschieden die Teilnehmer selbst.
Als Veranstalter trägt das Deutsch-Französische Jugendwerk die pädagogische Verantwortung. Um die Jugendlichen an die Methode Barcamp und ihre Eigenverantwortung heranzuführen erklärten die zwei jugendlichen Moderatoren das Format. Sie selbst waren Teilnehmer auf der vorangegangen Veranstaltung im Herbst vergangenen Jahres. Hinzu kamen ein halbes Dutzend jugendlicher TeilnehmerInnen, die bereits einen halben Tag früher anreisten und eine kurze Schulung zur Barcamp-Methode und Twitter erhielten.
Dem Ansatz eines Jugendbarcamps im Kontext der politischen Bildung bedeutet für das Deutsch-Französische Jugendwerk eine Balance zu schaffen zwischen der Selbstverantwortung der Teilnehmenden und einer inhaltlichen Anleitung, welche das Barcamp nicht dominiert oder steuert. In diesem Fall entschied man sich für zwei Experten-Inputs zu Beginn der Veranstaltung am Samstagabend und einer Podiumsdiskussion mit erwachsenen Experten und jugendlichen Teilnehmern des Barcamps am Montagabend. Der Kernbereich des Barcamps blieb damit von den Jugendlichen selbst bestimmt.
Im Abgleich mit der oben genannten kann man meinen, dass es sich um ein normale Anwendung der Barcamp-Methode handelt. Aber ich bin mir in der Einschätzung unsicher und bitte um eine nähere Diskussion.
Was meines Erachtens ein Barcamp auszeichnet und von der OpenSpace-Methode unterscheidet, ist der Einsatz digitaler Instrumente. Twitter eignet sich ideal um Diskussionen zwischen verschiedenen Sessions und um Meta-Diskussionen während einer Veranstaltung zu führen. Mit Ehterpad oder GoogleDocs können Sessions gemeinschaftlich und in Echtzeit dokumentiert werden. Beide Instrumente gemeinsam erlauben eine sehr vielschichtigere und partizipativere Diskussion. Während in einer Session können sich nicht mehr als zwei Personen gleichzeitig verbal kundtun – jedoch während eines Inputs oder Diskussionsbeitrages können andere Meinungen und ergänzende Fragen über die digitalen Instrumente gesammelt und ausgetauscht werden. Die Diskussion findet auf verschiedenen Ebenen zugleich statt und ist damit tendenziell integrativer, da mehrere Wege ermöglicht werden sich einzubringen. Es werden nicht mehr die Lautesten und Dominantesten gehört.
Wenn nun aber ein Barcamp die meiste Zeit kein funktionstüchtiges Internet aufweist und der Empfang in einigen Teilen des Gebäudes es auch den französischen TeilnehmerInnen kaum ermöglicht sich mobil einzuloggen und an digitalen Diskussionen teilzunehmen – ist es dann noch ein Barcamp? Wenn keine Instrumente zur Dokumentation angeboten werden – ist es dann noch ein Barcamp? Welchen Unterschied macht es für die Erwartungen der TeilnehmerInnen, wenn eine Veranstaltung als Barcamp ausgeschrieben ist?
Gedankenexperiment: Ein Barcamp auf einer Südseeinsel, ohne Zugang zum Internet, aber mit der Möglichkeit asynchroner Kommunikation zwischen den Teilnehmern – wäre wahrscheinlich auch ein Barcamp, oder?
Die digitale Ebene verringert die Hürde der Kommunikation, erlaubt die Inhalte auch über die Grenzen der physischen Räume hinaus zu transportieren, lässt andere außerhalb des Barcamps an den Diskussionen teilnehmen – insofern gehören Livestream, Internet-Zugang, Twitterwalls und Etherpads zur Grundaustattung von Konferenzen, egal ob sie als Barcamp gedacht sind oder nicht.
@mrtopf schrieb auch gerade, welches Barcamp schon Internet habe (http://bit.ly/ItG5jI). Dann frage ich mich aber, was ist dann noch der Unterschied zwischen einem Barcamp und einem OpenSpace?
Auf diversen Barcamps, auf denen ich war, hat das Internet nicht funktioniert. Auf manchen Veranstaltungen ist das ja schon ein Running-Gag. Auch ist meine Erfahrung, dass die digitale Beteiligung nicht immer nur vorteilhaft ist, sondern manchmal auch die Interaktion lähmen kann. Die schönsten, produktivsten Sessions, die ich mitgemacht habe, haben v.a. durch die rege direkte Beteiligung vor Ort gelebt. Die Echtzeit-Beteiligung von außen hält sich ja meistens doch eher in Grenzen.
Spannender ist eigentlich, was nach dem Camp online passiert. Wichtiger als die Möglichkeit, live zu bloggen oder zu twittern ist meiner Meinung nach, dass die Session-Ergebnisse oder eventuell vorbereitete Materialien hinterher online zur Verfügung gestellt werden, damit der Diskurs weitergehen kann und die Impulse, die entstanden sind, nicht verrauchen. Das ist ein Kerngedanke des Barcamp-Prinzps, der in der Praxis leider oft vergessen wird oder schlecht umgesetzt wird – z.T. dadurch bedingt, dass die Session-Leiter allein für die Dokumentation verantwortlich sind. Wenn man ein Barcamp organisiert, sollte man der Ergebnis-Dokumentation (Wer? Wie? Wo? Wozu?) im Vorfeld unbedingt Aufmerksamkeit schenken und die Nachbereitung genauso sorgfältig planen wie das Catering oder die obligatorische Party.
Jörg, der Unterschied zwischen einem Barcamp und einem Open Space ist, dass es bei Barcamps – nunja – immer auch eine Bar gibt 😉
Beim Open Space gibt es außerdem einen Haufen Regeln und Rituale, derer sich das Barcamp entledigt hat.
Hallo Christina,
wenn wir die Regeln eines OpenSpace mit denen eines Barcamp (http://t.co/wIVhOAw0) vergleichen, dann stelle ich fest, dass ein Barcamp nicht nur genauso viele bzw. wenige Regeln wie ein OpenSpace hat, sondern die Regeln auch noch strikter sind.
„You do talk about BarCamp. You do blog about BarCamp.“ Also die unbedingte Aufforderung zur Kommunikation nach Außen. Hier würde ich ja sagen, dass das nur mit Internet möglich ist. Aber Dein Hinweis auf die digitale Nachbereitung ist da sehr hilfreich.
„No tourists.“ Da sind die Schmetterlinge eines OpenSpace doch zwangloser, oder?
„If this is your first time at BarCamp, you HAVE to present.“ Auch wenn es nicht ganz ernst gemeint ist, dass ist schon ein ganz schöner Druck, der da aufgebaut wird.
Meine ganz persönliche These ist ja, dass beim ersten FooCamp einfach niemand dabei war, der/die in Sachen Großgruppenmoderation geschult war 😉