Tod und Trauer im Internet. Je bewusster ich mir meines eigenen Trauerns im digitalen Raum bin, desto häufiger nehme ich war, wie der Tod uns Tag für Tag auf digitalen Kanälen begegnet. Im Rahmen der Blogparade haben schon einige Personen ihre Gedanken und Fragen in die Runde geworfen. Dem möchte ich mich gerne anschließen und ein paar der Fragen angehen, die mich gerade mit diesem Thema bewegen:
Warum stelle ich mir diese Fragen erst jetzt?
Mein erste bewusste Begegnung mit Tod und Internet liegt fünf Jahre zurück. Im Jahr 2007 hatte ich das Video von Randy Pausch und seiner „Last Lecture“ auf Youtube entdeckt. Es hat mich sehr bewegt und inspiriert. Sein Buch habe ich in den Monaten danach gleich mehreren Freunden zum Geburtstag geschenkt. Ich bin Randy Pausch nie persönlich begegnet. Unsere einzige Verbindung ist sein Sprechen und Wirken im Video und sein Worte im Buch. Noch heute bin ich Mitglied in der Memorial Gruppe für Randy Pausch auf Facebook.
Ich habe das Glück, dass in meinem Freundes- und Bekanntenkreis bislang wenige Menschen gestorben sind. Trotzdem gewinne ich den Eindruck, dass der Tod mir im Digitalen immer häufiger begegnet:
- Über Online-Magazine erfahre ich vom Tod von Stars, Politikern und anderen Prominenten.
- Der Tod von Musikstars und -sternchen füllt meine Twitter-Timeline für Stunden.
- Über Pinnwand-Nachrichten von gemeinsamen Freunden erfahre ich vom Tod guter Bekannter aus früheren Tagen.
- Die Facebbook-Nachricht ersetzt den Anruf eines Freundes, der gerade um seinen Vater trauert und Hilfe braucht.
- In Seminaren erlebe ich weinende Teilehmer, die gerade über einen Tweet des Elysée-Palastes erfahren hatten, dass ihr früherer Chef gestorben ist.
- Freunde von mir zünden auf Facebook eine Gedenkkerze für verstorbene C-Prominente an.
- Es werden Videos geteilt und weiterempfehlt, in denen sich Verstorbene auf ihren Tod vorbereiten und von der Welt Abschied nehmen.
Wenn ich das vergangene Jahr Revue passieren lasse, dann habe ich durch soziale Medien mehr als zwei Dutzend Mal vom Tod von Menschen erfahren, die entweder mir oder mit mit befreundeten Personen wichtig waren.
Warum beschäftige ich mich erst jetzt mit der Frage, wie mein täglicher und selbstverständlicher Umgang mit sozialen Medien auch mein Trauerverhalten verändert? Erst durch den Tod eines engen Freundes habe ich begonnen mich bewusst mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Erinnert ihr euch noch an eure erste digitale Begegnung mit dem Tod?
Ist Facebook unser aller digitales Grab?
Aktuell ist Facebook in Deutschland das dominante Netzwerk mit dem größten Anteil aktiver Nutzer (aktuell ca. 25 Millionen). Zu den aktiven Nutzern zählen Verstorbene spätestens ab dem dreißigsten Tag nicht mehr. Wenn laut Statistischem Bundesamt im Durchschnitt täglich 2241 sterben, wie viele tote Profile gibt es dann im Netz?!
In meinem persönlichen Netzwerk auf Facebook bin ich – soweit es mir bislang zur Kenntnis kam – mit drei Verstorbenen in einer „Freundschaftsbeziehung“. Erstaunlicherweise konnte ich in diesen drei Fällen sehr unterschiedliche Verhaltensmuster von Familie, Freunden und Bekannten beobachten:
- Persönliche Trauerwand
Die Pinnwand der verstorbenen Person wird vom erweiterten Freundschafts- und Bekanntenkreis genutzt um letzte Worte auf den Weg zu geben. Die Beiträge sind zwar öffentlich, aber im Grunde handelt es sich um einen persönlichen Abschied, der nicht durch Likes oder Kommentare anderer ‚gestört‘ wird. Familie, enge Freunde oder jene, die an der Beerdigung teilnahmen, beteiligten sich nicht an der Trauerwand. - Erinnerungen teilen
Nach dem Tod beginnen Freunde und Bekannte damit Fotos der verstorbenen Person auf der Pinnwand zu teilen. Es handelt sich um fröhliche Momente, die in Bildern festgehalten sind und als Anlass für gemeinsames Trauern genommen werden. Vereinzelt werden die Fotos mit Erinnerungen kommentiert, häufiger noch geliked. Die Pinnwand ist Teil der gemeinsamen Trauerbewältigung geworden. - Familie übernimmt
Die Pinnwand wird von Familie, Freunden und Bekannten als persönliche Trauerwand verwendet. Darüber hinaus wurde das Foto der verstorbenen Person durch die Traueranzeige aus der Lokalzeitung ersetzt und eine letzte Nachricht mit dem Hinweis auf die Trauerfeier geschrieben. In diesem Fall hatte die Familie Zugriff auf das Facebook-Konto oder hat sich diesen verschaffen können.
Wieviel Nähe oder Distanz besteht zu den Verstorbenen?
Claudia hat in ihrem Beitrag die Frage aufgeworfen, ob das Trauern um fremde Verstorbene echtes Trauern sein kann. Und wie sie schreibt lassen sich auch Prominente oft genug privat inszenieren, so dass wir es hier mit einem vielschichtigen Begriff von Bekanntschaft zu tun haben.
Meine Wahrnehmung beruht auf wenigen im persönlichen Umfeld wahrgenommene Trauerfälle, aber die Beobachtung ist bislang homogen: Es sind vor allem die schwachen Beziehungen, aus denen digital-öffentliche Trauer hervorgeht. Familie und enge Freunde halten sich im digital-öffentlichen Raum zurück.
Man könnte mutmaßen, dass diejenigen Personen, die mit einer verstorbenen Person in einer sehr engen Beziehung standen, sich mit ihrer öffentlichen Trauer angreifbar machen. Hingegen tragen öffentliche Beileidsbekundungen für Prominente einen Teil zur digitalen Persona bei, mit der man sich trägt und schmückt. Genau dazwischen lassen sich die Beiträge von entfernten Bekannten und nicht so engen Freunden einordnen: Sie zeigen im Netzwerk der Trauernden, dass sie die verstorbene Person ebenfalls kannten und mit ihr verbunden sind.
Im Endeffekt ist das digitale Trauern ein weiterer Indikator dafür, wie sich das Freundschaftskonzept in unserer Gesellschaft analog und digital verändert hat. Eine Bewertung der Trauer steht uns meines Erachtens nicht zu – egal ob es sich um private Abschiede oder um Beileidsbekundungen für medial präsente (Nachtod-)Prominente handelt. Die Trauermeldungen aus den unterschiedlichsten Gruppierungen erfüllen nämlich noch einen anderen Zweck: Sie helfen den Hinterbliebenen und unterstützen sie in ihrer positiven Erinnerung an die geliebte Person.
Welche weiteren Trauermuster erkennt Ihr in Eurem Umfeld?
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