Smartphones sind nicht viel schlauer als Handys – echte mobile Technologie hat mehr mit Drohnen zu tun als uns vielleicht lieb ist. Was wir deshalb gründen sollten: Ein ThinkTank für smarte, mobile Technologie die nichts mit dem Handy zu tun hat.
Ich finde es fast schon bedrückend, dass alle Welt das kleine, batterie-getriebene Etwas in unseren Händen „smartphone“ nennt, nur weil es Internet, GPS und Foto hat. Es ist nicht viel smarter als die klobigen Telefone der ersten Handy-Generation, denn es klebt nach wie vor an der Hand oder steckt in der Hosentasche. Was ist smart daran, wenn ein von Ladekabeln und Funkmasten abhängiges Plastik-Chip-Metall-Ensemble lediglich mehr und mehr Funktionen akkumuliert und jeder Journalist das als Durchbruch „mobiler“ Technologie zelebriert?
Der Durchbruch mobiler Technologie wird dann kommen, wenn nicht jeder ein „iPhone“ mit sich herumträgt, sondern eine „iDrone“ – eine personalisierte, nicht hackbare Drohne, die einige Hundert Meter über einem schwebt. Kein Nokia Smartphone, sondern eine „Nokia Smartdrone“. Kein „Samsung Galaxy“ in der Jacke, sondern ein „Samsung Full Galaxy“ in der Luft.
Für viele mag schon die Überlegung daran gruselig erscheinen: den blauen Sommerhimmel voll mit dem Gewirr von quadromotorigen fliegenden Einheiten. Schlimmer als „Chemtrails“ und alle Überwachungskameras der Welt. Aber wie ein sehr spannender Artikel namens „Drones: Not just for Killing anymore“ auf Salon.com beschreibt, gibt es schon jetzt viele, die aktiv über die zivile Nutzung von Drohnen nachdenken:
“The systems have evolved to the point where what used to seem like an RC toy can now be used as a tool for a variety of applications such as taking pictures of your child’s birthday party, monitoring the health of plant life at a community park or delivering a ring at a wedding.”
Das kann man noch weiterdenken. Man stelle sich vor, die eigene „Smartdrone“ könnte schnell zur Post fliegen und einen Brief abholen. Oder zum Supermarkt um etwas Milch zu holen. Oder könnte beim Autofahren schauen, wie sich der Verkehr voraus entwickelt und dann schlau das Auto steuern.
Der technische Durchbruch kommt dann, wenn die eigene Smartdrone mit sozialer Technologie ausgestattet wird, sich kombinieren kann mit anderen Smartdrones und selbständig senden. Man kann sich vorstellen, wie Konzertaufnahmen werden, wenn Hunderte von Drohnen gleichzeitig streamen. Oder wie man bei menschlichen und natürlichen Katastrophen die Smartdrones zur Aufklärung einsetzt.
Natürlich gibt es auch jede Menge offener Fragen. Wie geht man mit dem Schutz der Privatsphäre um, wenn jeder einem eine Drohne vor das Fenster setzen kann:
According to a woman there, a “stranger set an aerial drone into flight over [her] yard … the man insisted that it is legal for him to fly an aerial drone over our yard and adjacent to our windows. He noted that the drone has a camera, which transmits images he viewed through a set of glasses. He purported to be doing ‘research.’”
Der Einsatz von Drohnen ist keine rein militärische Frage. Die Debatte darum wird ja im Augenblick gerade vor allem im Hinblick auf das Töten von Menschen geführt – und das ist richtig, denn wenn man die militärische Anwendung und deren zivile Konsequenzen anschaut, dann möchte einem oft das Kotzen kommen. Am eindrucksvollsten hat das wohl das Daten-Visualisierungsprojekt „Out of Sight – out of Mind“ gezeigt.
Aber es hilft nichts, allein die militärische Komponente zu thematisieren, ohne die zivile Komponente zu analysieren. Carsten Sinns in seinem recht mutigen Blogpost diskutiert zum Beispiel, warum er im Zweifelsfall doch für den Einsatz von Drohnen im Krieg wäre. Er wirft die Frage auf, ob nicht doch militärische Überlegungen zugunsten dem Einsatz der Drohne überzeugen könnten. Aber die Frage ist viel weitgehender: wie können wir eigentlich als Gesellschaft die Vorteile und Nachteile echter, persönlicher, im wahrsten Sinne des Wortes „mobiler“ Technologie diskutieren, wenn wir Drohnen nur als Killerroboter wahrnehmen?
Meines Erachtens benötigen wir dazu einen ThinkTank, der über Technologie „Beyond mobile“ und ihren Einfluss auf die digitale Gesellschaft nachdenkt. Ich fand es erstaunlich, wie wenig bei der letzten re:publica die vier oder fünf Drohnen über dem Kopf der Versammelten eine Debatte auslösten, zumindest wesentlich weniger als das Herumtragen einer gefakten GoogleGlass-Brille. Es spricht viel dafür, dass die digitale Gesellschaft ihre mobile Technologie nicht versteht.
In spätestens einer Legislaturperiode werden wir uns intensiv damit beschäftigen müssen, was Technologie bedeutet, wenn man „mobil“ bis zum Ende konsequent durchdenkt. Es wäre Zeit, schon jetzt damit anzufangen.
Danke für diesen interessanten Artikel und Denkansatz.
Da sich handelsübliche Drohnen noch immer kaum länger als 20min in der Luft halten können, weil ihnen gleich der Saft ausgeht und es die technischen Errungenschaften des 21. Jhdts noch immer nicht geschafft haben ernstzunehmende Dauer-Akkus hervorzubringen, wird die Drohnen-Revolution wohl vorerst ein Nischenthema bleiben. Siehe dazu auch Elektro-Auto.
Wirkliche Sorgen sollte man sich eher über eine andere Form von längst flächendeckend etablierten Drohnen machen. Denn Drohnen müssen gar nicht fliegen, fahren oder gehen können, um effektiv zu sein.
Es reicht wenn Drohnen so lieb gewonnen werden, dass man sie -wie ein eigenes Körperorgan- ständig mit sich herumtragen möchte.
Wir kennen sie als Handys.
Schon jetzt -oder schon längst- können diese abgehört und (wie Drohnen) ferngesteuert werden, von jedem, der weiß wie die schwachen/lückenhaften/dummen Sicherheitsbarrieren in Handys zu nutzen sind.
Kürzlich zeigte wieder ein Sicherheitsexperte, wie einfach es ist, fast jedes beliebige Handy (insbes. SIM Karte) aus der Ferne mit einem präparierten SMS zu übernehmen und in weiterer Folge abzuhören / mit fremder Telefonnummmer zu telefonieren / Mehrwertnummern abzurufen, das ganze Smartphone komplett fernzusteuern und sogar die Telefonnummer der SIM Karte zu ändern. Dass diese Möglichkeiten schon längst und ausgiebig von einschlägigen Kreisen genutzt werden, ist ein offenes „Geheimnis“.
Über diese Späh-Drohnen in unseren eigenen Taschen gab/gibt es gar keine öffentlichen Grundsatz-Diskussionen. Dieser bedenkliche Missstand wird wegen der tollen liebgewonnen und ständig frisch upgedateten „klicki-bunti“ Features in unseren Handys einfach ignoriert.
Just my 2 cents 😉
David hat mich noch auf dieses sehr spannende Projekt hingewiesen:
http://www.dronejournalismlab.org/
Und natürlich dieser Trailer zeigt, wenn die Drohnen gar nicht mehr Rotoren mehr haben:
http://www.youtube.com/watch?v=Zl_h9RaL0es
Mich interessiert, wieso du glaubst, dass das Thema nach einer Legislaturperiode von Relevanz sein wird? Weil die Parteien es dann nicht mehr als öffentliches Interesse ausblenden können? Oder weil die Technik dann so weit fortgeschritten sein wird, dass sich eine Regelung geradezu aufdrängt?
Die ETH Zürich ist übrigens an einem sehr interessanten Forschungsprojekt dazu dran: http://www.youtube.com/watch?v=9BshzMOJKRg bzw. http://quadrocopter-drohnen-shop.de/quadrocopter-forschung-an-der-eth-zuerich