Für diesen Artikel wurden interviewt:
- Gijsbert Koren – Douw& Koren
- Simon Douw – Director Nederlandse Crowdfunding Association
- Fabien Risterucci – FR Prospektif
Danke für die gute Zusammenarbeit!
Inspiration für die deutsche Regulierung – Ausgangssituation in Frankreich und den Niederlanden
Die Regulierung des Crowdfunding-Markts in Deutschland im Kleinanlegerschutzgesetz führt zu vielen Nachteilen für die Crowdfunding-Branche – dies hat nicht nur das German Crowdfunding Network als Branchenvertretung mehrfach dargelegt, sondern auch eine Reihe andere Verbände.
Wenn man die Regulierungsansätze in anderen europäischen Ländern stellt man schnell fest, dass die Regierungen in der Regel Gesetze erlassen, welche die noch junge Crowdfunding-Branche stärken sollen. Die Gründe dafür sind vielfältig, in Großbritannien beispielsweise gibt es schon historisch bedingt eine sehr liberale Finanzmarktordnung, in den skandinavischen und baltischen Ländern sieht man Crowdfunding als Teil eines wachsenden und unterstützenswerten Sektors im Bereich des „FinTech“, also internet-basierter Lösungen für Finanzmarktprodukte.
In Italien und Spanien wird Crowdfunding als Möglichkeit der Lückenfinanzierung für ausgefallene öffentliche Investitionen verstanden. Man kann diese Unterschiede auf wirtschaftlich und kulturell sehr unterschiedliche Ausgangssituationen in Bezug auf Kapitalmarktregulierung und Innovationsfreudigkeit erklären.
Wenn man sich aber unsere unmittelbaren Nachbarn, Frankreich und die Niederlande, betrachtet, dann ist es schwer, die Regulierungsunterschiede auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen, denn beide Kapitalmärkte sind von ihrer Struktur und ihrem Regulierungsansatz dem deutschen Regulierungsansatz ähnlich. Im Unterschied zu Deutschland ist Crowdfunding-Regulierung nicht Teil eines anderen Gesetzes, sondern ein eigenständiger politischer Prozess.
In Frankreich hat dieser politische Prozess bereits eine Änderung des Gesetzes hervorgebracht. In den Niederlanden ist der Gesetzgebungsprozess im Gang. In beiden Ländern wurde bzw. wird die Regulierung mit einer Vielzahl an Akteuren besprochen – in Frankreich beispielsweise gab es einen stetigen Prozess halbjährlicher Konferenzen, an denen unter anderem die Crowdfunding-Plattformen und deren Verbände, die Aufsichtsbehörden, Unternehmensberater, am Thema interessierte Bürger, die Verbraucherschutzorganisationen und die Vertreter von Banken, Venture-Capital-Fonds, Business Angeln und Unternehmensverbänden teilnahmen.
In diesen Konferenzen wurden unter anderem 3 Aspekte diskutiert:
– Was sind die Rechten und Pflichten der Crowdfunding-Plattformen, insbesondere welche Kriterien müssen die Unternehmen erfüllen, um den Status einer Crowdfunding-Plattform zu erhalten? Welche Rechten und Pflichten sind Teil eines selbstverantworteten Plattformen-Codex, welche müssen in einem Rechtsrahmen gefasstwerden?
– Welche Bestandteile des geltenden Kapitalmarktrechts sind notwendig oder hinderlich für das Wachsen des Crowdfunding-Markts? Wo muss die Anwendung bestehender Regeln präzisiert werden, wo müssen Ausnahmen geschaffen werden?
– Welche Maßnahmen müssen außerhalb des Regulierungsrahmens eingeleitet werden, welche den Crowdfunding-Markt flankieren sollen?
Ein solcher Prozess wurde von der Bundesregierung sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Digitalen Agenda der Bundesregierung angekündigt, aber wurde im Rahmen der Diskussion des Kleinanlegerschutzgesetzes nie durchgeführt. Die Regierung steht hier also noch in der Pflicht, ihre Versprechen umzusetzen.
Crowdfunding-Regulierung in Frankreich
Wie bei allen Regulierungsansätzen wurde in Frankreich im ersten Schritt erfasst, wo überhaupt Regulierungsbedarf ist. Die branchenübliche Aufteilung des Crowdfunding-Markts in donation-based, reward-based, equity-based und lending-based Crowdfunding wurde weitestgehend übernommen. Regulierungsbedarf wurde vor allem im Bereich im Angebot öffentlicher Unternehmensbeteiligungen, Vermögensanlagen und über das Internet vermittelten Kredite gesehen, daher ist der Fokus auf dem sogenannten Crowdinvesting und dem Crowdlending.
In Frankreich wurden zwei Definitionen für den Status einer Plattform geschaffen:
– CIP – Conseillers en Investissements participatifs
– IFP – Intermédiaire en financement participatif
Eine Plattform kann sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde unter diesem Status registrieren lassen. Daran sind eine Reihe an Pflichten geknüpft, aber auch Ausnahmen von Veröffentlichungs- und Prüfpflichten, die für die meisten Crowdfunding-Plattform finanziell nicht tragbar wären.
Der CIP-Status (Conseillers en Investissements participatifs) ist als Anlageberater definiert. Dies muss eine juristische Person mit Sitz in Frankreich sein. Die Plattformen müssen sich bei der Behörde ORIAS registrieren und in einem von der ORIAS akkreditierten Prüfverband Mitglied sein. Die Plattformen dürfen keine Einlagen der Investoren selbst halten und dürfen nicht in die Projekte auf ihrer Plattform investieren. Sie müssen die Investoren über die Investment-Risiken aufklären und dahingehend beraten, dass das Investitionsvolumen zum Einkommen der Investoren passt.
Das Halten von Mindestkapital ist für die CIP-Plattformen nicht vorgesehen, außerdem können Sie bis zu einer Höhe von 1 Million Euro Vermögensanlagen anbieten, ohne einen entsprechenden Prospekt zu erstellen. Sie dürfen auch nicht in anderen Ländern der Europäischen Union die Investitionen anbieten, profitieren also nicht von der Passport-Regulierung im Rahmen von MiFid. Vorgesehen ist, dass der CIP-Status vor allen von Plattformen genutzt werden, die Eigenkapital in Form von Aktien anbieten, andere Formen des Mezzanin-Kapitals sind nicht vorgesehen.
Der IFP-Status (Intermédaire en financement participative) ist vor allem für Crowdlending-Plattformen gedacht, allerdings können sich auch Plattformen mit anderen Geschäftsmodellen registrieren. Als IFP können sich auch juristische Personen mit Sitz außerhalb Frankreichs bei der ORIAS registrieren. Die Projekte dürfen maximal ein Projekt von 1 Million Euro haben. Bei Krediten mit Zinsen darf ein Kreditgeber maximal 1000 Euro einem Kreditgeber geben, bei Krediten ohne Zins ist der Betrag bei 4000 Euro gedeckelt. Bei einer solchen Kreditvermittlung muss die Plattform ein Mindestkapital von 40.000 Euro vornehmen, wenn sie die Kreditvergabe selber abwickelt und nicht mit einem entsprechenden Zahlungsanbieter zusammenarbeitet.
Sowohl die IFP- als auch die CIP-Plattformen müssen umfangreiche Maßnahmen zur Sicherung der Interessen der Geldgeber nachweisen. So müssen die Plattformen die Projektbeschreibung dahingehend gestalten, dass die Risiken des Investments dem Investor deutlich werden. Sie müssen die Investment-Projekte verpflichten, Jahresabschlüsse und Finanzplänen offenzulegen und die Beteiligungsinstrumente und die damit verbundenen Rechte dem Investor aufzuzeigen. Der Gesetzgeber überlässt es aber in gewisser dem Markt und den Branchenverbänden, für die geforderten Informationen geeignete Formen zu finden. Ein Medienbruch wie beim Herunterladen des Vermögensanlageninformationsblatts (VIB) wie in Deutschland oder ein Werbeverbot wurde nicht diskutiert und nicht beschlossen. Stattdessen wurde im Gesetz verankert, dass die Plattformen jederzeit auf Anfrage des Investors alle verfügbaren Informationen über ein Investment-Projekt zur Verfügung stellen müssen.
Das Ergebnis ist, dass die CIP-Plattformen vor Konkurrenz aus dem EU-Ausland geschützt werden, während gleichzeitig die IFP-Plattformen als glaubwürdige Alternative zu anderen Bankangeboten aufgebaut werden sollen. Langfristig ist aber vorgesehen, dass die Plattformen nach einer gewissen Phase des Wachstums sich entsprechende weitergehende Lizenzen besorgen müssen. Zwar mussten die Plattformen auch einige Einschränkungen hinnehmen, insbesondere bei den Ausnahmetatbeständen in Bezug auf die Prospektpflicht, die im Vergleich zum Marktführer Großbritannien viel zu klein sind. Aber sie haben in Bezug auf die beiden im Gesetz verankerten Kriterien für Investing- bzw. Lending-Plattformen zumindest für einige Jahre Planungssicherheit und die Unterstützung der französischen Regierung.
Crowdfunding-Regulierung in den Niederlanden
In den Niederlanden steht die Regulierung des Crowdfunding-Markts noch bevor. Die niederländische Regierung hat allerdings angekündigt, den jungen Markt weiterhin wachsen lassen zu wollen und einen regulativen Rahmen zu erlassen, der die junge Branche nicht „ersticken lassen“ soll. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde hat explizit die positiven Wirkungen von Crowdfunding auf die Finanzierung von jungen Unternehmen und Mittelständlern hervorgehoben.
In den vergangenen zwei Jahren hatte die Regierung den Crowdfunding-Markt intensiv durch die Aufsichtsbehörden beobachten lassen, die Geschäftsmodelle und Beteiligungsinstrumente kritisch und konstruktiv begleitet und den Weg geebnet, dass sich sehr unterschiedliche Modelle am Markt etablieren konnte. Die politischen Institutionen definieren in diesem Zusammenhang drei Marktzustände: Marktformation, Marktwachstum und Marktreife. Das Innovative an der Regulierung in den Niederlanden ist, dass für jede dieser drei Phasen einen entsprechender Regulierungsrahmen geschaffen werden soll.
Crowdfunding-Plattformen im Bereich Crowdinvesting oder Crowdlending benötigten in der Vergangenheit keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörden, mussten aber die Behörden informieren und die Beteiligungsverträge vorlegen. Dies führte zu einer großen Bandbreite am Markt: Crowdinvesting mit Aktien, Genossenschaftsanteilen, Crowdlending mit klassischem Fremdkapital oder sogenannte mitgliederbasierte Kreditvereinigungen fungieren als Crowdfunding-Plattform. Vorgesehen ist, dass die Plattformen sich in Zukunft alle lizensieren lassen müssen und mit den Aufsichtsbehörden zu festgelegten Intervallen die wirtschaftlichen Informationen über die vorgestellten Projekte mitteilen müssen.
Grundsätzlich gilt eine generelle Ausnahme von der Prospektpflicht von 2,5 Million Euro pro Emittent für alle Investmentprojekte. Die Plattform muss kein Mindestkapital vorhalten.
Crowdinvesting ist im Augenblick noch beschränkt auf 20.000 Euro pro Investor pro Plattform. Diese Ausnahmeregelungen werden als zu klein angesehen und werden im Augenblick überarbeitet. Bevorzugt wird ein Modell, bei dem nach dem britischen Vorbild die Investoren einen Test absolvieren müssen, der ihr Wissen zum Thema Startup-Finanzierung prüft und darauf aufbauend eine maximale Investitionssumme empfiehlt.
Beim Crowdlending gilt, dass 40.000 Euro maximal pro Kreditgeber verliehen werden dürfen. Auch diese Ausnahmeregelungen werden zur Zeit überarbeitet.
Die niederländische Regierung und die Finanzmarktaufsichtsbehörden haben sich sehr viel Zeit gelassen, bevor der Entschluss gefasst wurde, den Markt flankierend zu regulieren und weiterhin das Wachstum voranzubringen. Sie stellten den Plattformen und ihren Verbänden Geld für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung und arbeiteten mit den Aufsichtsbehörden an einem Konzept, der zum Marktwachstum beitragen soll.
Ausblick
Im „Alternative Finance Report“ der University of Cambridge wurden die Plattformen befragt, wie sie zur den Regulierungsbemühungen stehen – in Deutschland war die Antwort überwiegend negativ, in Frankreich und den Niederlanden positiv.
In Deutschland war die negative Einschätzung vor allem dadurch, dass das Kleinanlegerschutzgesetz nicht das Ziel hatte, Crowdfunding zu regulieren, sondern hier vor dem Hintergrund von Prokon versucht wird, am Kapitalmarktrecht zu flicken. Die Plattformen argumentieren, dass ihre Geschäftsmodelle Fälle wie Prokon gar nicht erst ermöglicht hätten und fühlen sich deswegen zu Unrecht in die gleiche Ecke gestellt.
In den Nachbarländern Deutschlands war es Ziel der Branche, Crowdfunding zu stärken. Dieses Ziel hat die Bundesregierung nach wie vor – sie muss es nur nach dem Kleinanlegerschutzgesetz angehen.