Social Payment und Crowdfunding – eine Übersicht

Auf der Tagung „Besser Online“ des Deutschen Journalistenverbands in München habe ich gemeinsam mit Bernd Oswald einen Vortrag zum Thema „Micropayment, Crowdfunding, Social Payments“ gehalten. Der Vortrag  war sehr gut besucht und es gab viele sehr gute Nachfragen. Mein Vortrag baute auf einem ähnlichen Vortrag gemeinsam mit David Roethler bei der Start10. Im folgenden hier nun die Folien und dazu schriftliche Ergänzungen.

Zwischen Zwang und Freiwilligkeit

Social Payments und Crowdfunding tauchen gelegentlich in der Debatte um die Zukunft des Online-Journalismus auf, die allerdings im Augenblick von Themen wie Leistungsschutzrecht für Verlage, iPad-Applikation und Paywalls bestimmt wird. Social Payment und Crowdfunding sind aber nicht nur alternative Geschäftsmodelle für Journalisten und Verlage, sondern sind Teil einer anderen Philosophie der Bezahlung für Inhalte im Netz.

Es geht nicht darum, die Leser durch App-Stores, Paywalls und Verleger-GEZ-Gebühren zu schröpfen, sondern den Lesern im Netz die Möglichkeit zu geben, gute Inhalte zu belohnen. Das gemeinsame Element und zugleich stärkster Aspekt von Social Payment und Crowdfunding im Vergleich zu anderen Erlösmodellen aus dem Bereich Paid Content sind daher auch die freiwilligen Transaktionen.

Sowohl bei Social Payment als auch bei Crowdfunding spielen die Prinzipien des Web 2.0 eine wichtige Rolle– also Vernetzung der Geldgeber über die sozialen Medien, Transparenz der Geldströme und Partizipation der Geldgeber an den finanzierten Inhalten. Nur so wird eine emotionale Bindung zwischen den Geldgebern und den Geldempfängern hergestellt. Geld wird nicht aus Eigennutz, um Inhalte zu konsumieren, gegeben, sondern weil in den Medienkonsumenten das Bewusstsein entsteht, dass die sozialen Zahlungen den Produzenten des jeweiligen Inhalts ein Zeichen von Wertschätzung und Anerkennung ist.

Die Minigabe für den kreativen Prozess

Social Payments und Crowdfunding gehören zu den sogenannten Micropayments. Sie liegen in der Regel unterhalb der Schwelle, ab der Menschen intensiv über ihre Ausgaben nachdenken und Optionen abwägen. Wer im AppStore bei Apple für 79 Cent eine App kauft, wägt nicht lange verschiedene Optionen ab,  sondern kauft sie relativ schnell Genauso soll es bei Social Payments und Crowdfunding laufen – kleine Beträge, ein paar Cent oder wenige Euro für Inhalte, die man im Netz gut findet.

Ein Unterschied ist, dass im Fall von Crowdfunding sind die Beträge für Inhalte oder Projekte gedacht, die im Netz erst noch entstehen sollen – Dokumentarfilme, Theateraufführungen, Start-Ups oder Foto-Ausstellungen. Im Fall von Social Payments sind die Beträge gedacht für Inhalte oder Projekte, die es schon gibt – Dokumentarfilme, Theateraufführungen, Blogs von Start-Ups, Fotogalerien.

Ein anderer Unterschied ist, dass bei Social Payments jeder gleich behandelt, egal wieviel er gibt. Bei Crowdfunding gibt es unterschiedliche Anreize, um unterschiedliche Beträge auch zu würdigen.

Ganz so einfach ist es aber nicht, den Unterschied zwischen Social Payment und Crowdfunding zu ziehen. Denn wenn jemand wie Jens Matheuszik vom Pottblog auf seiner Seite jeweils einen Kachingle- und einen Flattr-Button einbaut, erhält er dann die Klicks weil die Leser alle seine bisherigen Beiträge würdigen? Oder eher sich auf kommende Beiträge freuen? Beides wahrscheinlich. Social Payment und Crowdfunding wenden sich an die Reputation des Inhalteherstellers – und die bezieht sich auf vergangene als auch auf zukünftige Inhalte.

Beide Erlösmodelle belohnen den kreativen Prozess – ganz im Gegensatz zu Paywalls oder Apps, wo es nur um die Bezahlung für eine Dienstleistung geht.

Vier Beispiele für Crowdfunding

Wenn man über Crowdfunding spricht, kommt man um Kickstarter nicht herum. Das amerikanische Unternehmen hat vorgemacht, wie man eine Crowdfunding-Plattform aufzieht. Das bekannteste Projekt, dass über Kickstarter sich finanzieren konnte, ist Diaspora – eine Art dezentrales Facebook. Die Gründer von Diaspora nutzten Kickstarter mit Erfolg und holten sich mehr als 200.000 US-Dollar Entwicklungsgeld – Ziel waren nur 10.000 US-Dollar. Das Kickstarter-Geld war kein Fremdkapital, keine Aktien oder Unternehmensanteile mussten verkauft werden. Die Geldgeber erhielten lediglich eine CD mit der Software nach Fertigstellung.

Startnext ist ein Dresdener Unternehmen, dass versucht, ein Crowdfunding-Tool für Deutschland auf die Beine zu stellen. Seit Mitte September ist StartNext frei verfügbar. Der Schwerpunkt ist auf Projekten aus der Kunst- und Kulturszene. Aber auch für Journalisten ist es interessant, wie zum Beispiel das Projekt des Dokumentarfilms über Snowboarding im Iran zeigt.

Der Klassiker im Bereich Crowdfunded Journalism ist spot.us – wieder ein amerikanisches Startup, dessen Plattform nur für investigativen Journalismus dienen soll. Journalisten können ihre Rechercheprojekte einstellen, ihr Honorar festlegen und die Nutzer können in beliebiger Höhe diese Projekte unterstützen. Spot.us ist eine OpenSource-Software, die überall, auch in Deutschland von Verlagen, eingesetzt werden könnte.

Im Bereich Fotojournalismus gibt es mit Emphas.is ein weiteres spannendes Projekt. Die Gründer wollen via Crowdfunding den exklusiven Zugang zu herausragenden Fotojournalisten ermöglichen. Noch ist emphas.is in der Betaphase, aber deutlich wird, dass Crowdfunding im Journalismus schon jetzt spannende Möglichkeiten hat.

Man darf aber nicht vergessen, dass Crowdfunding eigentlich kein neues Geschäftsmodell ist. Die taz-Genossenschaft ist seit 1991 ein Beispiel für ein community-finanziertes Projekt im Journalismus. Und auch Verlage wie der Berliner vorwärts Verlag wurden ursprünglich aus der Arbeiterbewegung heraus gegründet, als solidarisches Projekt zur Schaffung einer Gegenöffentlichkeit.

Vom erfolgreiches Crowdfunding zum erfolgreichen Socialpayment

Es gibt zahlreiche weitere Crowdfunding Plattformen, wie zum Beispiel GoFundme oder SellaBand die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Und es gibt Mischplattformen – Spendenportale, Crowdfunding-Portal und Nachrichtenportal in einem wie zum Beispiel reset.to oder Betterplace.org.

Erfolgreiches Crowdfunding ist eigentlich nicht so schwer, wenn man sich an ein paar Regeln hält. Man muss die Idee und das Ziel sehr deutlich formulieren: Was will ich erreichen? Wie lange soll es dauern? Wofür verwende ich das Geld?

Man muss sich überlegen, wie die Geldgeber motivieren werden können – und zwar für jede Geldhöhe eine angemessene Belohnung. Man muss die richtige Plattform fürs Crowdfunding auswählen: Welche Gebühr muss ich bezahlen? Wer ist die Zielgruppe? Welche Projekteinschränkungen gibt es? Wie gut sind die sozialen Medien in die Plattform integriert? Und nicht zuletzt wie kann ich meine Unterstützer mobilisieren und dafür sorgen, dass diese wiederum neue Unterstützer mobilisieren?

Eine besondere Herausforderung für Verlage ist, wie man konkrete Projekte im Redaktionskontext findet, für die man Gelder einwerben kann. Eine zweite Herausforderung ist, wie man bei der Durchführung von solchen journalistischen Projekten transparent darüber informieren kann, wohin es mit dem Projekt und den eingeworbenen Geldern geht.

Daher sind Social Payments im Verlagskontext erstmal intuitiver, da sie den redaktionellen Prozess begleiten und auf den Community-Aktivitäten der Zeitungen aufbauen. Es ist daher kein Wunder, dass ausgerechnet die taz einer der ersten Zeitungen war, die mit Flattr Social Payments einsetzte. Mittlerweile sind mit dem vorwärts-Verlag und dem Freitag noch weitere Verlage hinzu gekommen, aber der Schwerpunkt von Social Payment liegt bislang noch immer in der Blogosphäre.

Flattr, Kachingle –Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die beiden bekanntesten Social Payment Tools sind Kachingle und Flattr, die auch die meiste Verbreitung haben in Deutschland. Kachingle wurde gegründet von Cynthia Typaldos, Flattr von Peter Sunde.

Wo auch immer Tools wie Flattr und Kachingle eingesetzt werden – im ersten Schritt muss der Webseitenbetreiber den Flattr bzw. den Kachingle-Button einbauen. Das geht meist ziemlich schnell via Javascript oder WordPress-Plugin. Bei Flattr muss man dafür noch sorgen, dass das eigene Flattr-Konto mit mindestens 2 Euro aufgeladen ist – sonst werden die Buttons nicht aktiv. Bei Kachingle kann ein Webseitenbetreiber auch sein Button runterladen, ohne selbst bei Kachingle einzuzahlen.

Der zweite Schritt besteht darin, die Community einzuladen, die Inhalte anzuklicken. Dazu müssen die Leser selber Konten bei Flattr oder Kachingle haben. Bei Kachingle wird pro Monat eine feste Summe von 5 US-$ einbezahlt, bei Flattr kann eine variable Summe ab 2 Euro einbezahlt werden. Eingezahlt wird via Paypal, dafür fallen natürlich Gebühren an.

Kachingle protokolliert, welche Seiten die Leser betrachten, wenn diese den Kachingle-Button installiert haben und die Kachingler zugestimmt haben, dass sie die Seite unterstützen wollen. Bei Flattr reicht ein Klick auf den Flattr-Button – am Ende des Monats wird dann die eingezahlte Summe auf die Klicks verteilt.

Kachingle und Flattr behalten sich eine kleine Gebühr ein. Kachingle eine Gebühr von 15%, die schon die Paypal-Gebühren enthält. Bei Flattr ist die Gebühr 10%, wobei hier die Gebühr für Paypal noch zu entrichten ist.

Welches System setzt sich durch?

Im Augenblick ist Flattr weiter verbreitet in Deutschland, was wohl an der Popularität von Peter Sunde in der deutschen Blogosphäre liegt. Aber natürlich stellt sich die Frage, ob die Nutzer lieber Flexibiltität haben wollen oder Einfachheit.

Die Flattr Nutzer in Deutschland sind zur Zeit zahlreicher als die Kachingle-Nutzer. Aber alle Benutzer von Social Payments sind noch Early Adopters, also Menschen mit einer ausgeprägten Affinitität zu neuen Online-Tools. Entscheidend für die Frage, ob sich ein System durchsetzt, ist eher, welches System es schaffen wird, eine breite Masse an Menschen zu mobilisieren.

Trotzdem sieht man schon erste Erfolge. Autoren wie Tim Pritlove verdienen mit Flattr pro Monat durchaus schon ein gutes Gehalt, zumindest dann wenn man dagegen stellt, was übliche Durchschnittsverdienste von freien Journalisten und Autoren sind, wie Leander Wattig bei seiner Präsentation auf der Buchmesse sehr gut ausgeführt hat.

Die taz hat jeden Monat weit mehr als 1000 Euro an Einnahmen wie Flattr. Die Einnahmen gehen zwar zurück, weil die Flattr-Klicks im Durchschnitt weniger wert werden. Das liegt daran, dass mehr und mehr Seiten den Flattr-Button einbauen, ohne dass es anteilig mehr Flattr-Nutzer werden, die in das System einzahlen. Aber für ein Experiment ist der Ausgang schon mal nicht schlecht.

An den Flattr-Charts kann man aber auch ein Problem sehen: es werden vor allem Artikel geflattert, die in gewisser Weise polarisieren oder die sich um das Thema Medienpolitik drehen. So entspricht die Nutzung von Social Payments ganz analog den Aufmerksamkeitsökonomien der Blogosphäre – Polarisierung und Polemik und Selbstbetrachtung führen zu vielen Links, vielen Klicks und viel Einnahmen mit Social Payments.

Alternativen zu Kachingle und Flattr

Mit Yourcent ist ein deutschsprachiges Social Payment Tool, das noch mehr Flexibilität ermöglicht. Hier kann der Benutzer wirklich jedesmal entscheiden, wie hoch der Betrag ist, der überwiesen wird. Bisher scheint Yourcent aber noch nicht wirklich im großem Umfang angenommen worden zu sein.

Thankthis – ein Startup aus Amerika will es Verlegern ermöglichen, einen Teil ihrer Social Payments mit gemeinnützigen Organisationen zu teilen. Ein interessantes Projekt, aber noch in der Betaphase.

Aber echte Alternativen zu Flattr und Kachingle sind natürlich erst dann gegeben, wenn Facebook oder Google Social Payments für sich entdecken – bislang beobachten die Firmen die Startups intensiv, aber es gibt noch keine sichtbaren Anzeichen, dass sie an eigenen Social Payment Tools arbeiten.

Wenn diese Firmen Social Payments entdecken, wäre zumindest das Henne-Ei-Problem gelöst: Wer muss zuerst da sein, die Anbieter oder die Nachfrage von Inhalten? Der aktuelle Markt für Social Payment ist sehr klein, trotz der vielen interessanten Entwicklungen.

Das Ziel – Tear down the Paywall

Crowdfunding und Social Payment Tools stehen aber in offenem Gegensatz zur Paywall. Ein Verlag kann nicht gleichzeitig einen Teil seiner Inhalte hinter die Paywall setzen und dann von den Lesern erwarten, dass sie freiwillig etwas bezahlen.

Insofern ist wirklich zu hoffen, dass die Weiterentwicklung von Social Payment und Crowdfunding Tools die Verlage davon abhält, ihre ausgrenzenden Strategien weiterzuverfolgen.

NB: Dieser Artikel wird noch an einigen Stellen ausgebaut.