Anlässlich der Kommunalwahlen 2011 startete der Landesjugendring Niedersachsen gleich zwei netzbasierte Aktionen, die „glüXprüfung“ und den „glüXtest“. Ziel der Projekte war es, ein Stimmungsbild über die Lebensqualität von Jugendlichen zu schaffen und den Stellenwert von jugendpolitischen Themen im Wahlkampf zu erhöhen. Um dies zu erreichen, wurde eine landesweite Online-Befragung unter jungen Menschen durchgeführt und eine zentrale Informationsstelle für die jugendpolitischen Positionen der Parteien geschaffen.
Niedersachsen ist eines von sieben Bundesländern, in denen Jugendliche bei Kommunalwahlen bereits mit 16 Jahren wählen dürfen. Im Zuge der Absenkung des Wahlalters wurde das Label „neXTvote“ ins Leben gerufen, unter dessen Dach seitdem Partizipations-Projekte im Vorfeld von Kommunal- und Landeswahlen durchgeführt werden. Das erste Internet-Projekt startete der Landesjugendring Niedersachsen bereits 2001 mit der Kampagne „neXTvote – i vote“. Zehn Jahre später setzte man einmal mehr auf netzbasierte Partizipation und begleitete die Kommunalwahlen mit zwei Aktionen: dem „glüXtest“ und der „glüXprüfung“.
Parteien auf dem Prüfstand: die „glüXprüfung“
Die Bereitstellung von jugendgerechten Informationen ist eine zentraler Bestandteil und Gelingensbedingungen für erfolgreiche Partizipation. „Was bei Kommunalwahlen immer fehlt, ist eine Synopse der Parteiprogramme, bei der die wichtigsten Aussagen der Parteien zur Jugendpolitik zusammengefasst werden.“ sagt Björn Bertram, Referent für Jugendarbeit und Jugendpolitik beim Landesjugendring Niedersachen. Es sei für junge Menschen wichtig zu erfahren, was die Parteien in der nächsten Legislaturperiode jugendpolitisch erreichen wollen. Deshalb habe man 2011 die „glüXprüfung“ ins Leben gerufen und ein Online-Tool geschaffen, das als zentrale Sammelstelle für die jugendpolitischen Positionen der Parteien dienen sollte.
Dafür hatten der Landesjugendring und seine Aktionspartner gezielt Politiker und Parteien auf kommunaler Ebene angeschrieben und diese gebeten, sich für die „glüXprüfung“ zu registrieren und einen Fragenkatalog zu jugendpolitischen Themen zu beantworten. Mit Kontaktinformationen der Parteien und weiterführende Links versehen, wurde mit diesen Informationen ein Online-Verzeichnis erstellt, das es Jugendlichen ermöglicht die jugendpolitischen Standpunkte und Vorhaben der Parteien aus ihrem Wohnort und ihrer Gemeinde direkt einzusehen.
Online-Befragung von 5000 Jugendlichen
Bereits zum zweiten Mal führte der Landesjugendring Niedersachsen im Vorfeld der Kommunalwahl außerdem eine landesweite Online-Befragung von Kindern und Jugendlichen durch. Beim „glüXtest“ waren diese dazu aufgefordert die Jugendfreundlichkeit ihres Wohnorts zu bewerten und Wünsche an die lokale Politik zu formulieren. Rund 5000 junge Menschen, mehrheitlich im Alter von 12-20 Jahren, beteiligten sich am „glüXtest“ und schufen ein landesweites Stimmungsbild über die Situation von Kindern und Jugendlichen. Die abgefragten Themenbereiche reichten vom Freizeitangeboten über die Schul- und Ausbildungsbildungssituation bis hin zur Partizipation vor Ort.
Besorgniserregend schlecht fielen dabei die Bewertung der Beteiligungsmöglichkeiten an kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen und die Antworten auf die Frage aus, ob die Politiker die Wünsche der Jugendlichen ernst nehmen. In dem an Schulnoten angelehnten Bewertungssystem stellten die Jugendlichen ihren Wohnorten ein schlechtes Zeugnis aus und beurteilten die Partizipationsmöglichkeiten im Durchschnitt mit 3,9 – gerade einmal „ausreichend“.
Der „glüXtest“ und seine Ergebnisse waren dem Anliegen nach aber weit mehr, als nur eine Bestandsaufnahme über die Lebensqualität von jungen Menschen in Niedersachsen. Dank der hohen und flächendeckenden Beteiligung bot er für die Jugendverbände und deren Aktionspartner während des Wahlkampfs eine schlagkräftige Diskussionsgrundlage im Dialog mit den Parteien und konnte als Quelle für jugendpolitische Handlungsempfehlungen nutzbar gemacht werden.
Großes Interesse bei den Jugendlichen – geringe Beteiligung der Parteien
Den Erfolg der Aktionen beurteilt Björn Bertram durchaus differenziert. Zwar konnte man hohe Zugriffszahlen auf „neXTvote“ verzeichnen, die Beteiligung an der „glüXprüfung“ seitens der Parteien fiel jedoch nicht so zahlreich aus, wie man sich erhofft hatte. Er hätte sich gewünscht, dass „wenigstens auf der Landkreisebene die Zahl der Einträge durch die Parteien höher gewesen wären.“ Die Gründe dafür seien vielfältig, mangelnde personelle Ressourcen und mitunter aber auch die Internetferne der Parteien würden hier sicherlich Probleme darstellen. Die hohe Beteiligung und die qualitativ hochwertigen Antworten der Teilnehmenden am „glüXtest“ zeugen aber in jedem Fall vom Interesse der Jugendlichen sich zu Wort zu melden und ihre Bedürfnisse zu formulieren.
Björn Bertram ist vom Einsatz netzbasierter Projekte überzeugt und sieht darin zwei entscheidende Vorteile. Sie stellen ein jugendgerechtes Verfahren dar und sorgen für eine hohe Reichweite: „Junge Menschen haben Lust sich auf spielerische Art und Weise mit Themen auseinanderzusetzen, auch mit politischen Themen.“ Wenn man eine Methode hat, die an die Interessen von Jugendlichen anknüpft, dann könne man auch Lust auf Politik machen. Bei einem Flächenland wie Niedersachsen sei es, laut Bertram, zudem notwendig, ein Projekt zu entwerfen, bei dem man viele junge Menschen erreichen kann – auch dann, wenn es nicht überall vor Ort eine Aktion eines Jugendverbandes gibt. Der Einsatz digitaler Medien bietet somit allen jungen Menschen Interaktionsmöglichkeit und kann auch Anreiz sein, um vor Ort aktiv zu werden.
Jugendpolitische Forderungen zur Landtagswahl 2013
Auch auf die im nächsten Jahr anstehende Landtagswahl haben sich die Verbände des Landesjugendrings Niedersachen bereits eingestellt und gemeinsam jugendpolitischen Forderungen zur Landtagswahlbeschlossen. Darin finden die Themen Digitale Gesellschaft und ePartizipation besondere Beachtung. Neben der Forderungen nachflächendeckendem, schnellem und öffentlichem Zugang zum Internet verlangen die Jugendverbände von der niedersächsischen Jugendpolitik auch, dass „kommunale Beteiligungsprojekte, die sich die neuen Möglichkeiten digitaler Medien zunutze machen (…) durch das Land besonders gefördert werden“.
Dieser Bericht wurde im Rahmen des Projektes youthpart erstellt und zuerst bei Dialog Internet veröffentlicht. Diese Werk bzw. dieser Inhalt von Lisa Peyer (ikosom) steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/