Im Rahmen der Bachelorarbeit an der Fachhochschule des BFI Wien hat die Studentin Z.H. ein Interview mit Karsten Wenzlaff und Wolfgang Gumpelmaier-Mach zum Thema Film-Crowdfunding durchgeführt, das wir nun mit freundlicher Unterstützung hier im Blog veröffentlichen durften.
Z.H.: Crowdfunding gewinnt bei Filmschaffenden zunehmend an Popularität und immer mehr Filme werden dadurch (teil-)finanziert. Worauf ist dies zurückzuführen bzw. welche Vorteile hat Crowdfunding gegenüber konventionellen Finanzierungsmodellen?
Karsten Wenzlaff: Crowdfunding kombiniert die Suche nach Finanzierung mit Marketing. Gerade bei Filmen kann allein schon die Finanzierung Teil des Vertriebs sein. Als ein Beispiel von vielen kann man Holger & Hanna nennen, ein Low-Budget-Film, der über Crowdfunding als erster Liebesfilm aus Cottbus vermarktet wurde und deswegen regionale Resonanz fand.
Wolfgang Gumpelmaier-Mach: Genau. Einerseits gibt es mit Crowdfunding eine zusätzliche Film-Finanzierungsmöglichkeit, andererseits sind Filmemacher dadurch näher an ihrem Publikum und umgekehrt. Neben dem Funding und dem späteren Vertrieb setzen manche Filmschaffende auch schon im Entstehungsprozess auf die Crowd. Für den Dokumentarfilm Late Blossom Blues hat zum Beispiel der Regisseur und Produzent Wolfgang Almer während seiner Kickstarter-Kampagne die Blues- Community rund um seinen Protagonisten Leo (Bud) Welch um Film-, Ton-, Foto- Material gebeten und es haben sich wirklich ein paar Freunde und Kollegen des Musikers gemeldet und Footage beigesteuert.
Z.H.:: Wie hat sich die Einstellung zu Film-Crowdfunding in den vergangenen acht Jahren im deutschsprachigen Raum geändert?
Wenzlaff: Crowdfunding war eher gedacht für Nischenfilme und besondere Projekte, zum Beispiel die Bud Spencer-Doku auf MySherpas.
Gumpelmaier-Mach: Ja, genau. Der Filmemacher Karl-Martin Pold hat für seinen Film über Bud Spencer und seine Fans von Beginn an auf die Crowd gesetzt. Das erste war ein Blog mit dem Aufruf: “Ich möchte einen Film über Bud Spencer drehen, wer hilft mir?”. Mittlerweile ist der Film fertig, wird gefeiert und die Facebook-Seite von „Sie nannten ihn Spencer“ hat über 260.000 Fans. Eine gute Basis nach der Fertigstellung nun auch für den weiteren Vertrieb.
Wenzlaff: Das haben auch große Produktionen wie Stromberg entdeckt und mittlerweile ist die Nutzung von Crowdfunding Teil des normalen Marketing-Mixes geworden.
Z.H.: Gibt es Film-Genres, die sich besonders für Crowdfunding-Kampagnen eignen? Haben eher Mainstream- oder Arthouse-Filme bzw. fiktionale oder non-fiktionale Filmprojekte Erfolg?
Wenzlaff: Dokumentationen scheinen besser zu Laufen als fiktionale Filmprojekte, weil hier meistens eine klare Zielgruppe vorherrscht. Als Beispiel sind zu nennen die Filme von Enno Seifried auf Visionbakery, der über Lost Places in Leipzig und Umgebung Dokumentationen über Crowdfunding mehrmals finanziert hat.
Gumpelmaier-Mach: Beim Dokumentarfilm kommt hinzu, dass man viel recherchiert und Material sammelt und somit auch genug Content für Social Media und Online Medien zur Verfügung hat. Denn die laufende Begleitung und der Aufbau einer eigenen Crowd bzw. Community ist essentiell, um eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnen durchzuführen.
Z.H.: Spielt es für den Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne eine Rolle, ob die Filme Langspiel- oder Kurzspielfilme sind?
Wenzlaff: Die Budgets bei Crowdfunding sind noch relativ klein, selten können sie alle Ausgaben abdecken. Insofern sind kürzere Filme einfacher zu finanzieren. Aber die Ausnahmen bestätigen die Regel, wie z.B. IronSky zeigt. In der Regel wird Crowdfunding bei Spielfilmen kombiniert mit anderen Finanzierungsarten, zum Beispiel Filmförderung.
Gumpelmaier-Mach: Insofern ist Crowdfunding immer als Komplimentär-Förderung zu verstehen. Einen ganzen Film nur dadurch zu finanzieren ist schwierig, aber nicht unmöglich. Vor allem steigen mit der Bekanntheit des Tools auch der Mut zu mehr und damit auch die Summen, die erzielt werden (können).
Z.H.: Warum werden Filmprojekte in der Regel mit dem reward-based und nicht mit dem donation-based, lending-based und equity-based Crowdfunding-Modell (teil-)finanziert?
Wenzlaff: Es gab erste Plattformen und Projekte im Bereich Crowdinvesting, aber anscheinend sind die Investoren noch nicht bereit, sich bei der Filmfinanzierung sehr stark zu beteiligen.
Gumpelmaier-Mach: Außerdem ist ein Film ein hoch emotionales Produkt und vielen Unterstützern reicht es oft dabei gewesen zu sein. Wenn man dann den Film noch früher, exklusiver oder billiger im Rahmen der rewards bekommt, dann ist das eine Zusatz-Motivation. Auf der anderen Seite wissen wohl auch viele Menschen, dass die revenues von Filmen, zumindest im Arthaus-Bereich, sehr schwierig einzufahren sind.
Z.H.: Könnte Crowdsustaining eine spannende Form der Finanzierung für Filmschaffende sein?
Wenzlaff: Ja, insbesondere zum Beispiel im Bereich der Serienfinanzierung. Die Schwierigkeit ist sicherlich, dass die Umsetzungszeiträume relativ lang sind. Crowdsustaining setzt voraus, dass die Filmemacher kontinuierlich neuen Content liefern.
Gumpelmaier-Mach: Aber so wie sich das Kommunikationsverhalten und das Nutzungsverhalten der User, des Publikums ändern, so werden sich auch die Formate ändern und anpassen müssen. Insofern bleibt es hier spannend, wie kreativ die Filmemacher da sind. Aber für mich ist da zwingend auch ein Umdenken nötig, was das Erreichen des Publikums in den unterschiedlichen Kanälen angeht. Viele sehen ja nicht mehr “normal” TV, sondern streamen via Netflix oder schauen Videos auf Youtube.
Z.H.: Welche Rolle spielen internationale, deutsche und spezialisierte Plattformen für Filmschaffende im deutschsprachigen Raum? Nach welchen Kriterien sollten Filmschaffende eine geeignete Internet-Plattform auswählen?
Wenzlaff: Mein Eindruck ist, dass viele Filmprojekte eine regionale Zuschauerschaft haben und deswegen Plattformen in Deutschland vorgezogen werden. Kickstarter und Indiegogo sind nur relevant für überregionale Themen.
Gumpelmaier-Mach: Internationale machen nur Sinn, wenn man die internationale Crowd und die Multiplikatoren zur Verbreitung der Kampagne auch mit Inhalten bedienen kann. Nur weil man in Cannes einmal ein paar Visitenkarten von Französischen, Britischen oder US-Vertrieben erhalten hat und in der Szene gut vernetzt ist, heißt das noch nicht, dass man das notwendige Publikum dort erreicht.
Z.H.: Viele Filmprojekte scheitern leider. Woran liegt das, Ihrer Meinung nach?
Wenzlaff: In der Regel, eine schlechte Vorbereitung.
Gumpelmaier-Mach: Ich denke, oft fehlt es am offenen Mindset und dass man gelernte, klassische Strukturen verlassen kann. Crowdfunding funktioniert dann super, wenn es ein Teil einer größeren Strategie ist und die Projektinhaber digital-affin sind.
Z.H.: Wie wichtig ist es, einen (Business-)Plan vorab zu haben? Finden Sie, dass Filmschaffende genügend über die Planungsprozesse (Kosten, Steuern und rechtlichen Rahmenbedingungen) informiert sind, bevor sie Ihre Kampagne starten?
Wenzlaff: Es ist wichtig, das Budget für die Kampagne gut zu planen. Man kann sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen relativ einfach informieren, zum Beispiel hat das deutsche Bundeswirtschaftsministerium dazu eine Broschüre herausgebracht. Aber auch auf crowdfundport.eu gibt es dazu Materialien.
Gumpelmaier-Mach: Ja, schon. Ich muss wissen, was ich mit meinem Film erreichen will und vor allem auch wen ich erreichen möchte. Noch immer wollen viele Filme ins Kino, aber oft ist das der falsche Ansatz. Es gab Beispiele, wo die Zielgruppe via DVD in ausgewählten Geschäften erreicht wurde und der Film nie im Kino war.
Z.H.: Ein Blick in die Zukunft: Glauben Sie, wird Crowdfunding zukünftig ein wichtiger Bestandteil der Filmfinanzierung im deutschsprachigen Raum sein?
Wenzlaff: Ja, als Teil eines Finanzierungsmix.
Gumpelmaier-Mach: Ja, allerdings müssen alle Seiten sich noch etwas mehr öffnen und auch experimentierfreundlicher sein. Und vor allem müssen Kompetenzen aufgebaut werden, damit man alle Funding-Optionen ideal verknüpfen kann.
Z.H.: Abschließend noch: Welche Tipps haben Sie für Filmschaffende, um eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchzuführen?
Wenzlaff: Authentisch sein, sich gut vorbereiten und mit Crowdfunding-Experten sprechen.
Gumpelmaier-Mach: Engagement zeigen, im Vorfeld eine Crowd aufbauen und viel kommunizieren. Ein schöner Spruch eines Bloggers dazu: “Kontakte. Kontakte. Kontakte. Darüber reden. Darüber reden. Darüber reden.” – das hilft.
Photo by ToastyKen