Interview zu Facebook-Verboten an Schulen

Am vergangenen Samstag wurde ich von der Radio Fritz-Sendung Trackback zum Facebook-Verbot an deutschen Schulen interviewt. Trackback ist eine Sendung, die sich rund um das Internet dreht und aktuelle Themen aus der Netzwelt aufgreift. Den Anlass für das Interview gab eine neue Verordnung aus Rheinland-Pfalz, die Lehrkräften untersagt, Facebook zum dienstlichen Kontakt mit Schülerinnen und Schülern zu nutzen. Rheinland-Pfalz ist nicht das einzige Bundesland, das solche Verbote ausbricht, u.a. Baden-Württemberg gab eine Handreichung heraus, nach der die Verwendung von sozialen Netzwerken für die dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten generell verboten ist.

Die gesamte Sendung ist als Podcast verfügbar.Das Interview ist ab 44. Minute zu hören und steht unter einer CC-Lizenz.

Wenn Facebook die geheime Identität zerstört…

In der schwedischen Metro erschien ein spannender Artikel über die Folgen der Verbreitung einer Facebook-Suche:

The story on Facebook was very touching. A father published a photo of his missing children and asked for help finding them. And thousands helped sharing the post and finally one person recognized the children and let him know where to find them.

The missing information was that the woman was living under protection and with a new identity after leaving the man. Now he found out where she was. She was forced to move again – to a women’s shelter.

Die Frau hatte wohl ein legitimes Interesse, ihre Kinder zu schützen. Andererseits aber wäre es wohl für viele Eltern, deren Kinder entführt worden sind, ein sinnvolles Instrument, wenn die Gesichtserkennung auf Facebook helfen könnte, verschwundene Personen zu finden. Wie soll sich die Gesellschaft in solchen Dilemmata verhalten?

Social Media in der Schule und das Problem mit dem Datenschutz

Ende Juli 2013 gab das Kultusministerium in Baden-Württemberg eine Handreichung heraus, nach der die Verwendung von sozialen Netzwerken für die dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten generell verboten ist.

Genauer umfasst das sowohl die Kommunikation der Lehrkräfte untereinander und zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern als auch das Speichern und Verarbeiten personenbezogener Daten.

Soziale Medien können allerdings weiterhin im Unterricht verwendet werden, um beispielsweise den kompetenten Umgang mit ihnen zu üben und die unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Plattformen zu behandeln.

Eine Zusammenfassung der Handreichung ist auf der Website des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg zu finden. Leider lässt diese Meldung viele Punkte ungeklärt und einige Fragen offen. Aber der Reihe nach.

 Was erreicht werden sollte: Sicherheit

Das Kultusministerium in Baden-Württemberg machte deutlich, dass es nicht um das Verbieten von Sozialen Medien generell gehe, vielmehr beziehe man sich auf das geltende Landesdatenschutzgesetz. Um etwaigen Unsicherheiten bei der Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern entgegenzutreten, wurde die Handreichung im Sinn von Leitlinien erarbeitet. Es gehe nicht darum, bestimmte Dinge unter Strafe verbieten zu wollen, sondern handele sich um einen Hinweis auf die aktuell bestehende datenschutzrechtliche Situation, so Kultusminister Andreas Stoch im Interview mit dem SWR.

Datenschutzrechtlich sind Social Media-Angebote nicht erst seit gestern in der Diskussion, vor allem, wenn es um deren pädagogischen Einsatz geht. Die Speicherung und Weiterverbreitung personenbezogener Daten ist oftmals undurchsichtig und problematisch, da die Nutzerinnen und Nutzer kaum bis gar keinen Einfluss nehmen können. Und ja, das stellt durchaus ein Problem dar. Das wird in diesen Tagen klar, in denen uns immer deutlicher vor Augen geführt wird, welchen Einfluss und welche Macht Social Media haben.

Das Dilemma ergibt sich aus der alltäglichen Praxis. Facebook ist beispielsweise für viele Schülerinnen und Schüler die Informations- und Kommunikationsplattform. Lehrkräfte stehen daher oft vor der Herausforderung, dass sie diese praktischen Zugänge nutzen wollen oder auch selbst das Bedürfnis haben, sich neuer Kommunikationswege zu bedienen. Letztlich sind es oft ganz praktische Überlegungen, die Lehrerinnen und Lehrer dazu bewegen, auch via Social Media mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben, gemeinsame Vorhaben zu planen und Diskussionen durchzuführen.

Die Schülerinnen und Schüler tatsächlich zu erreichen und in einer ihnen bekannten Umgebung anzusprechen, ist oft ein ausschlaggebender Punkt. Zudem können neue Formen und Lernumgebungen gemeinsam erprobt werden.

Hier eine Regelung zu finden, ist eigentlich eine logische Konsequenz. Aber stellt eine Handreichung, wie die aus Baden-Württemberg, eine angemessene und sinnvolle Lösung dar? Und wenn die Kommunikation über einige Kanäle nun unzulässig ist, wo bleiben dann die Alternativen?

 Was erreicht wurde: Unsicherheit

Nach den Meldungen aus Baden-Württemberg geben auch andere Länder ähnliche Vorhaben bekannt: Schleswig-Holstein und Bayern haben bereits vergleichbare Lösungen. Andere geben zu verstehen, dass die Nutzung von Facebook und Co. nicht untersagt, aber auch nicht empfohlen wird (s. auch Handelsblatt).

Die Vermutung liegt nahe, dass solche Handreichungen nicht etwa Klarheit in den komplizierten Sachverhalt bringt, sondern mehr Unsicherheit und Verwirrung schaffen. Lehrkräften in ihrer Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern bestimmte Wege zu verbauen und andere zuzulassen, ist vor dem Hintergrund dynamischer Kommunikationsformen ein schwieriges Unterfangen. Sich auf bereits bekannte Wege, beispielsweise die Kommunikation per E-Mail zu berufen, hemmt die Beteiligten und geht an den üblichen Kommunikationswegen der Schülerinnen und Schüler vorbei.

Lehrkräfte sollten vielmehr beim Einsatz digitaler Medien in der eigenen Unterrichtspraxis unterstützt und bestärkt werden, neue Lernformen auszuprobieren und unbekannte Lernumgebungen gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zu erkunden – Social Media bieten dafür zahlreiche Möglichkeiten. Mit ihrer Hilfe können offene und partizipative Lernumgebungen geschaffen werden.

Die rechtlichen Schwierigkeiten dürfen nicht dazu führen, dass Social Media gänzlich außen vor gelassen werden. Vielmehr müssen die Sicherheitsfragen in den Blick genommen und den Schülerinnen und Schülern bei all der Begeisterung eine kritische, reflektierte Haltung und kompetenter Umgang nahegelegt werden. Das gilt insbesondere für personenbezogene Daten und die aktuelle datenschutzrechtliche Situation.

Kann daher die Lösung wirklich darin bestehen, einige dieser Wege einfach zu versperren? Weder werden Alternativen angeboten, noch gibt es Unterstützung: Lehrkräfte, die digitale Medien distanziert betrachten oder sie ablehnen, werden sich bestätigt fühlen, jene, die bereits erfolgreich damit arbeiten, gehemmt. Die Probierfelder, die wir im Kontext digitaler Medien dringend brauchen, werden durch solche Festsetzungen ausgebremst.

 

Der Artikel von Kristin Narr wurde zuerst auf Carta veröffentlicht und steht unter einer Creative Commons Namensnennung – 3.0 Deutschland Lizenz. http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/

 

Europe So Close @eusoclose zur EU-Datenschutzgrundverordnung

ESC_Logo_278x16535In wenigen Minuten beginnt das erste Webinar von Europe So Close. Gäste sind diesmal:

  • Rechtsausschuss (JURI): MEP Eva Lichtenberger, Die Grünen – Österreich, Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.
  • Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE): Julien Bencze für das Büro MEP Amelia Andersdotter, Piratpartiet – Schweden, Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.
  • Ausschusses für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten (EMPL): Thomas Stiegmaier für das Büro MEP Evelyn Regner, SPÖ – Österreich, Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament.

Das Webinar ist kostenlos, die Teilnahme erfolgt über AdobeConnect.

Facebook-Forschung von Schufa und HPI? Ja, wenn es OpenScience ist!

Das gemeinsame Forschungsinteresse der SchuFa GmbH und des Hasso-Plattner-Instituts, wie man soziale Netzwerke zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit heranziehen kann, hat viel Kritik ausgelöst: in der Politik, von Datenschützern, von Internet-Nutzern.

Im Zusammenhang mit Datenschutz und sozialen Netzwerken scheint Panik immer eine erste Reaktion zu sein. Dass dadurch die Debatte nicht wesentlich versachlicht wird, ist leider hinzunehmen. Dennoch ein paar grundlegende Überlegungen dazu, warum das Forschungsvorhaben nicht per se falsch war und warum es im Endeffekt scheitern musste. Continue reading „Facebook-Forschung von Schufa und HPI? Ja, wenn es OpenScience ist!“

politcamp 2011: Linkschau

Letztes Wochenende fand das dritte politcamp im alten Bundestag in Bonn statt. Die ca. 300 Teilnehmer diskutierten über Social Media in der politischen Kommunikation, die Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, Open Data, Jugendschutz oder Netzneutralität.

Und wie es sich für ein Barcamp gehört, wurde darüber auch ziemlich viel gebloggt und geschrieben, Fotos und Videos gemacht oder Präsentationen veröffentlicht. Wir haben einmal angefangen alles zu sammeln was wir im Netz dazu finden. Die Liste an Beiträgen hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn ihr also noch mehr Links kennt, schreibt sie bitte in die Kommentare, dann nehmen wir es mit auf. Danke und viel Spaß beim lesen.

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re:publica – Was macht eigentlich der digitale Mensch?

Auf der diesjährigen re:publica haben Lisa Peyer und Markus Winkler eine Session mit dem Titel „Was macht der digitale Mensch“ gehalten. Hier fasten sie viele nationale und globale Studien der letzten 15 Monate aus den verschiedenen Themenbereichen wie die digitale Spaltung, Jugend und Internet, eCommerce, Social Media, Datenschutz oder Privatsphäre zusammen und versuchten ein Bild des „digitale Menschen“ zu zeichnen.

Die verwendeten Folien aus der Session findet man zusätzlich hier: